Paul zum Dreißigsten

Der Arbeitstitel "Paul" ward aufgegeben, 
Zwei Mädchen war'n das Resultat allein. 
Die Eltern resigniert. Das war's dann eben. 
Und Ingo sprach: "Es hat nicht sollen sein! 
Lass uns die Sohneswünsche nun verschrotten, 
Kein Stress fortan, ab jetzt lasziv und faul." 
Bis Ille rief: "Herrje, ich krieg die Motten! 
Jetzt kommt er plötzlich doch noch, unser Paul!"

So blieb es stets. Paul machte, was er wollte. 
Und was er nicht will, faßt er gar nicht an. 
Und weil er Streit nicht mag und nicht Revolte, 
Sagt er stets "Ja". Und alles scheint getan. 
Wie engelsgleich das Bild des kleinen Knaben, 
Mit blonden Locken und verträumten Blick. 
Und langen Groll zu ihm konnt' keiner haben. 
Man gab die Freundlichkeit ihm stets zurück.

Und so erkannte er die Kraft der Ruhe
Auf jenem Weg, den unbeirrt man geht. 
Denn Energie verzehrt nur das Getue
Wenn man sich streitet, wo und wie was steht. 
Man setzt ein Ziel. Dorthin führt die Gerade. 
Man kriegt nicht mit, was rechts und links sich rührt. 
Und lächelt freundlich. Und sagt "ja" und "schade",
Wenn man die Hindernisse ignoriert.

Das Fußballspiel war ihm alsbald zu fade: 
Zu viel Gekurve und Betrieb am Ball. 
Da war das Rudern auf der langen Grade
Mehr sein Geschmack und also bald sein Fall. 
Wozu die Schwester Anne ihm erklärte, 
Dass schneller Start die halbe Miete schon, 
Und, wenn man Überholen noch erschwerte, 
Sei sichrer Sieg der Ruderarbeit Lohn.

Weil das Geschick aus folgsamen Adepten
Die Sieger macht, fuhr bald als Ruderheld, 
Paul mit viel Fleiß und den Patent- Rezepten
Den schnellsten "Vierer ohne" dieser Welt. 
Doch bald sah er der Ruderstrecken Ende, 
Und dass kein Weg dahinter weiter wär'. 
Da macht er kehrte mit einer scharfen Wende 
Und startet durch zu Studium und Karrier'.

Auch da ging es, wie stets, ganz kerzengrade. 
Er tat, was nötig, und sonst tat er nicht. 
Quält sich nicht rum mit Studium, das oft fade
Nimmt sich erst zum Examen in die Pflicht. 
Denn Schwester Heike hat ihm ja berichtet
Dass im Betrieb der Universität 
Man Schein meist mehr als alles Sein gewichtet. 
So hat er denn auch hier Erfolg gesät.

Beim Weibe noch bleibt das Prinzip erhalten: 
Die lange Grade reizte ihn auch hier. 
Beim Wintertraining auf dem Berg, dem kalten, 
Hat er bald die Bestimmte im Visier. 
Die Mama mahnte früh: "Ach, hab Erbarmen, 
'ne Große nimm, was andres wär's gemein! 
Es gibt so wenig Lange für die Armen." 
Drum hat es Lenka endlich müssen sein.

Nun sind es endlich dreißig lange Jahre, 
Die Zeugen dieser grade Linie war'n. 
Um Paul zu feiern, dass er es erfahre, 
Sind wir geraden Weges hergefahr'n. 
So ziehe weiter diese sturen Bahnen -
Die brauchst du wohl zu deinem Glücklichsein. 
Wir schwenken an der Strecke unsre Fahnen
Und schauen dir bewundernd hinterdrein.